Nachhaltig und menschengerecht: Die Vision des Rat der Arbeitswelt für eine ökologische Transformation der Arbeitswelt
Die Arbeitswelt befindet sich in einem tiefgreifenden Wandel, der durch die doppelte Transformation ausgelöst wird. Die digitale und die ökologische Transformation verändern die Beschäftigungsentwicklung, die Kompetenzanforderungen, die Arbeitsbedingungen und die Gestaltungsmöglichkeiten von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Wie können wir diesen Wandel nachhaltig und menschengerecht gestalten? Welche Rahmenbedingungen brauchen wir für eine nachhaltige und klimaneutrale Wirtschaft, die die Arbeitswelt menschengerecht gestaltet? Welche Vision hat der Rat der Arbeitswelt für die ökologische Transformation der Arbeitswelt? Diese Fragen sollen in diesem Artikel beantwortet werden.
Table of Contents
- Hintergrund
- Vision
- Erstens: Rahmenbedingungen für eine nachhaltige und klimaneutrale Wirtschaft schaffen
- Zweitens: Digitale Transformation der Arbeitswelt unterstützen
- Drittens: Qualifizierung und Weiterbildung der Beschäftigten fördern
- Viertens: Soziale Sicherung und Arbeitsbedingungen der Beschäftigten verbessern
- Fünftens: Betriebliche und gesellschaftliche Gestaltungskompetenz stärken
- Diskussion
- Fazit
Hintergrund
Der ökologische Wandel ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. Er erfordert eine umfassende Anpassung aller Sektoren der Wirtschaft an die Ziele des Pariser Klimaabkommens und die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung. Er eröffnet aber auch neue Chancen für grüne Wachstumsfelder, die zu mehr Beschäftigung, Innovation und Wohlstand führen können. Laut dem Arbeitswelt-Bericht 2023 sind bereits heute rund 20 Prozent der Beschäftigten in Deutschland in Branchen tätig, die einen hohen oder sehr hohen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Gleichzeitig nimmt rund die Hälfte der Beschäftigten die Auswirkungen von Klimaschutzmaßnahmen auf die eigene Arbeit wahr. Der ökologische Wandel hat somit einen erheblichen Einfluss auf die Arbeitswelt.
Vision
Der Rat der Arbeitswelt ist ein unabhängiges Gremium aus Vertreterinnen und Vertretern aus Wissenschaft, Wirtschaft, Gewerkschaften, Politik und Zivilgesellschaft, das die Bundesregierung in Fragen der Arbeitswelt berät. Der Rat der Arbeitswelt hat in seinem Arbeitswelt-Bericht 2023 eine Vision für eine nachhaltige und klimaneutrale Wirtschaft formuliert, die die Arbeitswelt menschengerecht gestaltet. Diese Vision basiert auf fünf Gestaltungsfeldern und Empfehlungen, die im Folgenden kurz vorgestellt werden.
Erstens: Rahmenbedingungen für eine nachhaltige und klimaneutrale Wirtschaft schaffen
Der Rat der Arbeitswelt empfiehlt, die Rahmenbedingungen für eine nachhaltige und klimaneutrale Wirtschaft zu schaffen, die den ökologischen Wandel als Chance für Innovation und Wachstum nutzt. Dazu gehören unter anderem:
- Eine ambitionierte Klimapolitik, die die Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 65 Prozent reduziert und bis 2045 die Klimaneutralität erreicht. Der Rat der Arbeitswelt schlägt vor, einen sozial-ökologischen Pakt zu schließen, der die Klimaziele mit sozialen und wirtschaftlichen Zielen verbindet.
- Eine Förderung von grünen Investitionen und Technologien, die den Strukturwandel unterstützen und neue Beschäftigungsmöglichkeiten schaffen. Der Rat der Arbeitswelt fordert, einen Zukunftsfonds aufzulegen, der in die ökologische Modernisierung der Infrastruktur, der Industrie und der Landwirtschaft investiert.
- Eine Anpassung der Steuer- und Abgabensysteme, die die ökologischen Kosten internalisieren und Anreize für eine nachhaltige Wirtschaft setzen. Der Rat der Arbeitswelt plädiert für eine Reform der Energiesteuern und der EEG-Umlage, die die Strompreise senkt und die erneuerbaren Energien fördert.
- Eine Stärkung der Kreislaufwirtschaft, die die Ressourceneffizienz erhöht und die Abfallvermeidung und ‑verwertung verbessert. Der Rat der Arbeitswelt empfiehlt, eine nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie zu entwickeln, die die Produktverantwortung, das Ökodesign und die Reparaturfähigkeit stärkt.
Zweitens: Digitale Transformation der Arbeitswelt unterstützen
Der Rat der Arbeitswelt empfiehlt, die digitale Transformation der Arbeitswelt zu unterstützen, indem die digitale Infrastruktur ausgebaut, die digitale Kompetenz der Beschäftigten gefördert, der Datenschutz und die IT-Sicherheit gewährleistet und die Mitbestimmung und Partizipation der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gestärkt werden. Dazu gehören unter anderem:
- Ein Ausbau der digitalen Infrastruktur, der eine flächendeckende und leistungsfähige Breitband- und Mobilfunkversorgung sicherstellt. Der Rat der Arbeitswelt fordert, den Glasfaserausbau zu beschleunigen und den 5G-Netzausbau zu fördern.
- Eine Förderung der digitalen Kompetenz der Beschäftigten, die eine kontinuierliche Anpassung und Weiterentwicklung der Qualifikationen und Fähigkeiten ermöglicht. Der Rat der Arbeitswelt schlägt vor, einen Digitalpakt für die berufliche Bildung zu schließen, der die digitale Ausstattung, die digitale Lehr- und Lernmethoden und die digitale Weiterbildung verbessert.
- Eine Gewährleistung des Datenschutzes und der IT-Sicherheit, die die Rechte und die Sicherheit der Beschäftigten und der Unternehmen schützt. Der Rat der Arbeitswelt fordert, eine nationale Cybersecurity-Strategie zu entwickeln, die die Prävention, die Detektion und die Reaktion auf Cyberangriffe stärkt.
- Eine Stärkung der Mitbestimmung und Partizipation der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die die Gestaltung und die Regulierung der digitalen Arbeitswelt ermöglicht. Der Rat der Arbeitswelt plädiert für eine Erweiterung der Mitbestimmungsrechte der Betriebsräte und der Gewerkschaften, insbesondere bei der Einführung und dem Einsatz von digitalen Technologien.
Drittens: Qualifizierung und Weiterbildung der Beschäftigten fördern
Der Rat der Arbeitswelt empfiehlt, die Qualifizierung und Weiterbildung der Beschäftigten in allen Lebensphasen und Erwerbsformen zu fördern, um den Anforderungen des Strukturwandels gerecht zu werden. Dazu gehören unter anderem:
- Eine bessere Anerkennung von informellem Lernen, das die Kompetenzen und Erfahrungen der Beschäftigten sichtbar macht und anerkennt. Der Rat der Arbeitswelt fordert, ein nationales Kompetenzbilanzierungssystem zu etablieren, das die Validierung und Zertifizierung von informellem Lernen ermöglicht.
- Eine Erhöhung der öffentlichen und privaten Investitionen in Bildung, die die Qualität und die Zugänglichkeit der Bildungsangebote verbessert. Der Rat der Arbeitswelt schlägt vor, einen Bildungssoli einzuführen, der die Finanzierung der Bildungsausgaben sichert und gerecht verteilt.
- Eine Verbesserung der Beratungs- und Vermittlungsangebote, die die Orientierung und die Unterstützung der Beschäftigten bei der beruflichen Entwicklung und dem beruflichen Übergang erhöht. Der Rat der Arbeitswelt fordert, ein nationales Beratungsnetzwerk zu schaffen, das die individuelle und bedarfsgerechte Beratung und Vermittlung gewährleistet.
- Eine Flexibilisierung der Lern- und Arbeitszeiten, die die Vereinbarkeit von Lernen und Arbeiten erleichtert. Der Rat der Arbeitswelt plädiert für eine Einführung eines Rechts auf Weiterbildung, das den Beschäftigten einen Anspruch auf bezahlte Freistellung für Weiterbildungszwecke gibt.
Viertens: Soziale Sicherung und Arbeitsbedingungen der Beschäftigten verbessern
Der Rat der Arbeitswelt empfiehlt, die soziale Sicherung und die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten zu verbessern, um die Chancen und Risiken des Wandels gerecht zu verteilen. Dazu gehören unter anderem:
- Eine Anpassung der Sozialversicherungssysteme an die veränderten Erwerbsbiografien, die die Absicherung und die Teilhabe aller Beschäftigten gewährleistet. Der Rat der Arbeitswelt fordert, eine Bürgerinnen- und Bürgerversicherung einzuführen, die alle Erwerbsformen und Einkommensarten einbezieht und die Beitragsbemessungsgrenzen abschafft.
- Eine Erhöhung des Mindestlohns, der die Existenzsicherung und die Wertschätzung der Beschäftigten sichert. Der Rat der Arbeitswelt schlägt vor, den Mindestlohn auf 12 Euro pro Stunde anzuheben und an die allgemeine Lohnentwicklung zu koppeln.
- Eine Bekämpfung von prekärer und atypischer Beschäftigung, die die Arbeitsqualität und die soziale Integration der Beschäftigten verbessert. Der Rat der Arbeitswelt fordert, eine Angleichung der Rechte und Pflichten von Festangestellten, befristet Beschäftigten, Leiharbeitnehmern, Solo-Selbstständigen und Plattformarbeitern zu erreichen.
- Eine Förderung von gesunder Arbeit und Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben, die die Gesundheit und das Wohlbefinden der Beschäftigten fördert. Der Rat der Arbeitswelt empfiehlt, eine nationale Präventionsstrategie zu entwickeln, die die psychischen und physischen Belastungen der Arbeit reduziert und die betriebliche Gesundheitsförderung stärkt.
Fünftens: Betriebliche und gesellschaftliche Gestaltungskompetenz stärken
Der Rat der Arbeitswelt empfiehlt, die betriebliche und gesellschaftliche Gestaltungskompetenz zu stärken, indem die Sozialpartnerschaft und die Tarifbindung gefördert, die betriebliche Mitbestimmung und die betriebliche Innovation unterstützt, die regionale und sektorale Vernetzung und Kooperation angeregt und die Beteiligung und Transparenz in der Politik erhöht werden. Dazu gehören unter anderem:
- Eine Förderung der Sozialpartnerschaft und der Tarifbindung, die die faire und flexible Gestaltung der Arbeitsbedingungen ermöglicht. Der Rat der Arbeitswelt fordert, die Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen zu erleichtern und die Tarifautonomie zu stärken.
- Eine Unterstützung der betrieblichen Mitbestimmung und der betrieblichen Innovation, die die Anpassungsfähigkeit und die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen erhöht. Der Rat der Arbeitswelt schlägt vor, ein Innovationsbudget für Betriebsräte einzurichten, das die Mitgestaltung und die Qualifizierung der Beschäftigten bei der Einführung und dem Einsatz von neuen Technologien und Arbeitsformen fördert.
- Eine Anregung der regionalen und sektoralen Vernetzung und Kooperation, die die Entwicklung und den Transfer von guten Praktiken und Lösungen fördert. Der Rat der Arbeitswelt fordert, ein nationales Netzwerk für den Strukturwandel zu schaffen, das die regionale und sektorale Abstimmung und den Erfahrungsaustausch zwischen den Akteuren der Arbeitswelt unterstützt.
- Eine Erhöhung der Beteiligung und Transparenz in der Politik, die die Legitimität und die Akzeptanz der politischen Entscheidungen erhöht. Der Rat der Arbeitswelt empfiehlt, eine nationale Bürgerkonferenz für die Arbeitswelt zu initiieren, die die Bürgerinnen und Bürger in den politischen Diskurs und die politische Gestaltung der Arbeitswelt einbezieht.
Diskussion
Die Vision des Rat der Arbeitswelt für eine nachhaltige und klimaneutrale Wirtschaft, die die Arbeitswelt menschengerecht gestaltet, ist eine ambitionierte und umfassende Vision, die viele Aspekte der Arbeitswelt berücksichtigt und viele Akteure einbindet. Sie hat viele Vorteile und Stärken, wie zum Beispiel:
- Sie orientiert sich an den langfristigen Zielen der Nachhaltigkeit und der Klimaneutralität, die für die Zukunft der Arbeit und der Gesellschaft entscheidend sind.
- Sie nutzt die Chancen und Potenziale des ökologischen Wandels, die zu mehr Beschäftigung, Innovation und Wohlstand führen können.
- Sie setzt auf eine koordinierte und integrierte Strategie, die die verschiedenen Gestaltungsfelder und Empfehlungen miteinander verknüpft und Synergien schafft.
- Sie basiert auf einer breiten Beteiligung und Partizipation aller Akteure der Arbeitswelt, die die Gestaltungskompetenz und die Akzeptanz erhöht.
Sie hat aber auch einige Nachteile und Schwächen, wie zum Beispiel:
- Sie erfordert eine hohe Anpassungsbereitschaft und Flexibilität von den Beschäftigten, den Unternehmen und der Gesellschaft, die nicht immer gegeben ist oder gefördert wird.
- Sie birgt einige Risiken und Ungewissheiten, die sich aus den dynamischen und komplexen Veränderungen der Arbeitswelt ergeben, die nicht immer vorhersehbar oder steuerbar sind.
- Sie stößt auf einige Widerstände und Konflikte, die sich aus den unterschiedlichen Interessen, Perspektiven und Erwartungen der Akteure der Arbeitswelt ergeben, die nicht immer konsensfähig oder lösbar sind.
- Sie ist abhängig von einer politischen Unterstützung und Umsetzung, die nicht immer gewährleistet oder konsistent ist.
Fazit
Die doppelte Transformation der Arbeitswelt ist eine große Herausforderung, aber auch eine große Chance für die Arbeitswelt. Um sie erfolgreich zu gestalten, sind eine gemeinsame Vision, eine koordinierte Strategie und eine breite Beteiligung aller Akteure notwendig. Der Rat der Arbeitswelt hat in seinem Arbeitswelt-Bericht 2023 eine Vision für eine nachhaltige und klimaneutrale Wirtschaft formuliert, die die Arbeitswelt menschengerecht gestaltet. Diese Vision basiert auf fünf Gestaltungsfeldern und Empfehlungen, die in diesem Artikel vorgestellt und diskutiert wurden. Die Vision hat viele Vorteile und Stärken, aber auch einige Nachteile und Schwächen. Sie erfordert eine hohe Anpassungsbereitschaft, Flexibilität, politische Unterstützung und Umsetzung. Sie birgt einige Risiken, Ungewissheiten, Widerstände und Konflikte. Sie orientiert sich an den langfristigen Zielen der Nachhaltigkeit und der Klimaneutralität, nutzt die Chancen und Potenziale des ökologischen Wandels, setzt auf eine koordinierte und integrierte Strategie und basiert auf einer breiten Beteiligung und Partizipation aller Akteure der Arbeitswelt. Sie ist somit eine ambitionierte und umfassende Vision, die einen wichtigen Beitrag zur Gestaltung der Arbeitswelt leisten kann.
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